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Vertikalprobe Château Palmer am 20.11.2010

Verkostungsnotizen von Thomas Boxberger

Vertikalprobe Château Palmer am 20.11.2010

1959 Château PALMER – Margaux
96/100
Leider hat der Mid-Shoulder-Füllzustand dieser Flasche dem Wein eine intensive Oxidationsnote zugefügt, die auch Zulasten der Frische und Komplexität ging. Dafür zeigte der 59er nach etwa einer halben Stunde welch immense Kraft und Extraktsüße weiterhin in ihm schlummerte. Die Farbe war noch sehr dicht und recht dunkel, mit deutlichem Orangerand. Süße, intensive, reife Nase mit Marmeladearomen, zartem Geranienduft und intensiver Fülle. Dazu Rosenblätter, Orangenzesten und eine dezente Alterssüße, jedoch durch den mangelnden Füllzustand immer von Liebstöckel überzogen. Tief und imposant wuchs das Duftbild mit weiterer Belüftung. Süße Attacke am Gaumen mit sehr feinkörnigen Tanninen und rassigem Verlauf bei würdevoll gereifter, üppiger Frucht. Zeigt mehr und mehr Länge, ganz elegant und mit tief verwurzelter Vielschichtigkeit. Gewinnt immer mehr an Süße und Intensität. Erst mit 94/100 bewertet, entwickelte er sich im Glas zu einem grandiosen Erlebnis wie die meisten 1959er Bordeaux‘.

1970 Château PALMER – Margaux
93/100
Dichte dunkle Farbe mit aufhellendem Rand. Zarte, dichte Nase, etwas verschlossen, doch schöne Süße und Üppigkeit ausstrahlend. Wirkt in der Nase wie eine groß gewachsene, distinguierte Dame. Sehr tief und vielschichtig, ganz fleischig und fest am Gaumen. Die Frucht zeigt sich im Mund ganz frisch und deutlich lebendiger und kräftiger als erwartet. Sehr fokussierter, klarer Verlauf mit kerniger Säure, die ihm burgundische Finesse verleiht. Der 70er besitzt eine tolle Saftigkeit im Mittelstück mit Schwung und Länge. Weiter hinten entfaltet er mit schöner Würze und generöser Süße Kirscharomen und eine zart gereifte, rotbeerige Fülle und mündet im palmer-typischen Blumenmeer. Er bleibt immer frisch und süß am Gaumen mit viel Schmelz und eleganter Struktur. Das lang anhaltende, feinkörnige Tannin ist weit und ausgewogen verteilt. Beachtliches Trinkvergügen nach mittlerweile 40 Jahren. 44M | 31CS | 16PV | 9CF.

1971 Château PALMER – Margaux
91/100
Dichte Farbe, sehr klar und leuchtend, wässriger Rand. Intensiv duftende Nase mit üppiger Kopfnote. Überraschend opulent mit frischer, etwas vordergründiger Frucht und sehr schöner, distinguierter Art. Dem Jahrgang und Alter geschuldet, zeigt das Nasenbild wenig Tiefe und suggeriert schwindende Stabilität. Etwas matt beginnt er im Mund, bringt dennoch eine schöne Würze und saubere Aromen hervor. Etwas schlank und mit karger Mitte ausgestattet, ist der 71er dennoch recht fein. Die steinig-trockene Frucht bremst nach hinten auf dem trocknenden Tannin. Rotbeeriger, leicht hohl wirkender, unerfüllter Abgang. Dennoch ist es ein schöner, eigenständiger Wein, der süß und schlank im Mund zurück bleibt. Tatsächlich kippte er recht schnell. Undekantiert und zügig vernichten.

1975 Château PALMER – Margaux
90/100
Helle, mittlere Farbe. Frisch geöffnet ist die Nase erst dominiert von Tabak, Chlor, Fruchtsüße und abgestandenen Hummerkarkassen, sowie einer störenden Kräuter-Kümmel-Note. Möglicherweise schlechte Lagerung? Rauchig, etwas altes Holz und eine »biologisch instabile Süße« anzeigend. Süße Attacke im Mund mit brachial dominierendem Tannin. Dahinter kommt die noch frische Frucht nicht ganz durch. Leichte Unreife anzeigend, schmalbrüstig und schlank aber wesentlich sauberer im Mund als in der Nase. Nicht sehr lang, aber ein Achtungserfolg im schwierigen Jahrgang. Achtung: wohlwollende Wertung! 47CS | 40M | 8PV | 5CF.

1983 Château PALMER – Margaux
95/100
Hier gingen die Meinungen stark auseinander. Während für mich der 85er klar der bessere und vor allem konzentriertere Wein war, gab es einige Verkoster, die den 83er bevorzugten. Allerdings denke ich, dass der 83er gegenüber früheren Proben schon etwas abgebaut hat: Leuchtende Farbe, dunkel bis zum Rand. Offen und intensiv verströmt der 83er eine breite, generöse Frucht, eingebettet in einem Blumenmeer, ganz weit verteilt und voll. Ein wundervoll üppiges Bouquet von großer Intensität und Fülle, ganz tief und würzig, komplex und frisch. Süßer Auftakt im Mund, ganz offen und vollmundig. Sensationelle Saftigkeit im Mittelstück mit großer Kraft und Rasse. Sattes Extrakt, ganz jung und beissend am Gaumen. Sehr kernige Struktur mit vollem Tannin unterlegt, das ebenfalls ganz fein und komplex am Gaumen liegt. Jugendlich und ewig lang, üppig-reif und festfleischig. Schönes, rassiges Tannin im Abgang, das eine trockene, gereinigte Zunge zurück läßt. Ein großer Klassiker – »très Margaux«. 53CS | 41M | 4CF | 2PV.

1985 Château PALMER – Margaux
96/100
Dichte, leuchtende Farbe. Üppig, füllig und intensiv, noch tiefer und nachhaltiger als der 83er. Hier ist alles drin. Reife, üppig-dichte, rotbeerige Frucht mit großer Würze und riesigen Kraftreserven. Ein leicht torfiger »Single-Malt-Ton« schwingt in der Kopfnote mit, unterlegt mit großer Extraktsüße, sehr opulent und duftig. Ein Blumenmeer mit Jasmin und Veilchen, ganz tief und unglaublich intensiv und frisch. Ganz süß und deutlich fleischiger und intensiver als der 83er startet der große 85er im Mund. Dabei ist er auch wesentlich jugendlicher und fester, bei eindeutig mehr Extrakt. Während der 83er viel Pulver bereits in der Jugend verschossen hat, entwickelte sich der 85er nun zu monumentaler Gestalt. Ganz tolle, rauchige Struktur mit Kraft und sensationellem Druck. Von extremer Ausdrucksstärke angetrieben, strahlt er eine hohe Intensität und Jugend aus. Süß und intensiv im Abgang verfügt der 85er auch über feineres Tannin als der 83er bei jeweils mehr Druck, Kraft und Extrakt. Endet lang, ganz vielschichtig, mit enormer Finesse und Schmelz. 57CS | 33M | 6CF | 4PV.

1989 Château PALMER – Margaux
92/100
Dichte, dunkle Farbe. Süß, intensiv und etwas speckig flutet der 89er Palmer das Glas. Sehr breit und füllig kommt er daher und zeigt deutliche Einflüße eines heißen Jahrgangs. Damit ist er wesentlich weniger frisch als 1983 und 1985. Mehr Fett und weniger Tiefe vermittelt der 89er Palmer, mit malziger Süße im Hintergrund, üppig jedoch ohne große Komplexität. Die Zunge verwöhnt er mit schöner Opulenz von süßer, fetter Frucht und breitem Körper. Das süß-saure Spiel zeigt nicht die Tiefe und Länge großer Jahre und auch das feiste Tannin in der leicht »gebackenen« Struktur wirkt massig und eher etwas plump. Das klingt nun alles etwas sehr kritisch und ist sicherlich dem grandiosen Eindruck geschuldet, die der 83er und 85er kurz zuvor hinterlassen haben. 52CS | 41M | 6PV | 1CF.

1990 Château PALMER – Margaux
89/100
Gute Farbe, etwas matt. Etwas harmlose, zarte Nase, weit aufgespannt, mit leichtem Geraniol-Ansatz, wenig Tiefe und Intensität. Satte Attacke am Gaumen, etwas metallisch und mit stumpfem Tannin belegt, entwickelt der 90er wenig Schmelz. Gute Dichte und Extrakt, wirkt aber nicht verbunden mit dem Tannin und auch die Säure steht separiert. Ein schwacher 90er, wie es in diesem vermeintlich großen Jahrgang einige Enttäuschungen gibt. Ohne Harmonie, trockenes, stumpfes Tannin. 54CS | 34M | 7CF | 2PV.

1995 Château PALMER – Margaux
94/100
Dunkle Farbe. Die jugendliche Nase zeigt eine leichte Reduktion und benötigt dementsprechend Zeit sich zu entwickeln. Dahinter formiert sich eine sehr intensive, schwarz- bis rotbeerige Frucht, hochverdichtet, satt, weit, komplex und wesentlich präziser als es der 90er vermochte. Süß, intensiv, sehr fett und etwas margaux-untypisch präsentiert sich der 95er Palmer sehr massiv vom Merlot und mit hohem Druck vom reifen Cabernet. Viel Kraft und satte Adstringenz ausstrahlend zeigt sich dieser jugendliche Palmer fest gewebt und fast ein wenig streng. Seine kraftvolle Struktur bleibt anfangs fest und anpackend, erst im Abgang kommt die süße Palmer-Fülle, die den Gaumen verwöhnt, generös, saftig und rotbeerig an. Leider undekantiert verkostet. 51M | 40CS | 9CF.

1996 Château PALMER – Margaux
96/100
Grandiose, massive Farbe. Süß, intensiv und anfänglich sehr verschlossen, zeigt der große 96er Palmer ein ganz weit gefasstes, offenes Nasenbild von enormer Fülle. Opulent und reif, gebettet in einem offenen Blumenbouquet, zeigt er eine sehr schöne, klare, hochsaturierte, leicht speckige Frucht. Ganz süß und opulent, von sensationeller Fülle angetrieben, zeigt der grandiose 96er Palmer trotz enormem Druck eine sehr feingliedrige und dicht gestaffelte Struktur. Von der Anlage her ist der 96er der kompletteste Palmer der 80er und 90er dieses Abends! Süß, hochverdichtet, intensiv und lang, ist dieser Wein mit allem ausgestattet, was man sich wünscht. Trotz geringerem Merlot-Anteil besitzt er mehr Rotbeerigkeit als der 1995er Palmer. 55CS | 40M | 4CF | 1PV.

1998 Château PALMER - Margaux
92/100
Dunkle, dichte Farbe. Nach dem großen 96er Palmer ist der 98er natürlich weniger intensiv und wirkt etwas hohl und leicht vordergründig. Zart und zuerst wenig druckvoll, entwickelt sich die Nase mit der Luft zu einem stoffigen Gebilde. Einladende Fruchttöne werden von Blüten, Rosenblättern und etwas Geraniol begleitet. Süße, opulente Attacke am Gaumen mit etwas strenger, zur Härte neigender Säure, die ihm eine gewisse Unwucht verleiht. Sehr kernig aber auch etwas verkrampft auf der Zunge entwickelt er einen rassigen, strengen Körper von mittlerer Länge und leicht trocken zurück bleibendem Mittelstück. Etwas steif und ungelenk, dennoch von schöner Struktur, zeigt sich der 98er Palmer derzeit in einer schwierigen Phase. Liegen lassen. 52M | 43CS | 5PV.

1999 Château PALMER – Margaux
92/100
Dunklere Farbe als der 98er. Süß, reif und üppig, mit viel Saft ausgestattet und schöner palmer-typischer Frucht- und Blütenfülle. Ohne eine wirklich große Palmer-Nase zu entwickeln, zeigt sich der Duft des 99ers sehr klassisch, süß, reif und klar, mit saftigem Schmelz darin. Süß und rund, sehr offen und mit guter, kraftvoller Struktur ausgestattet, bleibt der 99er Palmer dennoch etwas schmalbrüstig und von mittelfeiner Tanninkörnung im Mund. Sehr komplett, von mittlerer Fülle und mit gutem Grip am Gaumen, ist es ein sehr stabiler, blitzsauberer 99er, der ja eher zu den günstigeren Jahrgängen zählt. 48CS | 46M | 6PV.

2001 Château PALMER – Margaux
93/100
Dunkle Mitte, aufhellender Rand. Süße Nase mit schöner Reife darin und deutlich besser als 1999. Sehr aufgeräumt und sauber, wirkt er kompakt, reichhaltig und mit viel Stoff ausgestattet. Mit schöner, runder Süße, teeriger Würze und ganz langer, kompletter, breit angelegter Tanninstruktur überzeugt er im Mund. Dabei ist er immer mit saftigem Extrakt unterlegt, sehr vielschichtig und reif. Ein sehr ausgewogener Palmer von ausgezeichneter Reife und Struktur aus einem generell unterschätzten Jahrgang. 51CS | 44M | 5PV.

2003 Château PALMER – Margaux
88/100
2003 ist generell ein schwieriger Jahrgang in ganz Europa. Der anfänglichen Euphorie der Journalisten konnte kaum ein Wein Bestätigung verleihen! Daher schon immer mein Rat: Lieber schnell weg mit dem 2003er Jahrgang bevor er gar keinen Spaß mehr macht. Aber jetzt zum Palmer 2003: Dunkle, dichte Farbe. Süß, reif und vordergründig, duftet der 2003er nach gezuckerten Erdbeeren. Satt, ohne Tiefe oder Bordeaux-Typizität wirkt er in der Nase wie ein überreif gelesener, reifer Burgunder. Bilder eines korpulenten Geniessers, der schlapp auf dem Stuhl sitzt und dessen reichhaltig gefüllter Bauch das Hemd zum spannen bringt werden wach. Süß, breit, stumpf und kurz ist auch der Auftritt im Mund. Totgeschlagen von der Jahrhunderthitze des Jahrgangs, konnte auch das großartige Team auf Château Palmer diesem Traubenmaterial keine Eleganz oder Finesse entlocken. Ein »gekochter« Palmer mit stumpfem Tannin und jahrgangstypischer, derber Charaktere. 68CS | 20M | 12PV.